VERKÜRZTE SOMMERARBEITSZEITEN? ALTER SCHWEDE - DAS GIBT´S WIRKLICH!
von Christoph Edenhauser & Markus Feistritzer

Der Winter in der nördlichen Hemisphäre ist frostig, düster und lang. Sehr lang. In den warmen und hellen Sommermonaten ist es daher dringend nötig, Energie zu tanken - die Zeit der Mitternachtssonne ist den Schweden heilig. In vielen nordischen Tarifverträgen wird sogar eine Sommerarbeitszeit festgelegt. Die unterschiedlichen Auffassungen von flexibler Arbeit und fixen Dienstzeiten, von familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen und was das EuGH-Urteil damit zu tun hat – unter anderem davon berichten wir im aktuellen Blogbeitrag!
In nordischen Tarifverträgen wird teilweise eine Sommerarbeitszeit festgelegt. Und trotz kürzerer Arbeitstage in der warmen Jahreszeit (oder gerade deshalb!?) floriert die Wirtschaft im „Köttbullar-Land“ offensichtlich. In Deutschland wird Produktivität oftmals mit Anwesenheit gleichgesetzt – bei den Skandinaviern hingegen gilt: Wer sein Arbeitspensum geschafft hat, kann sich früher beim „Afterwork“ vergnügen.
KEIN LEERES GESCHWAFEL: DIE SCHWEDEN ACHTEN TATSÄCHLICH AUF IHRE WORK-LIFE-BALANCE
Die Deutschen lieben ihr gelegentliches Feierabendbier, bei den meisten Schweden ist der gemeinsame Gang zum „Afterwork“ selbstverständlich. Obwohl auch in Schweden die 40-Stunden-Woche gilt, wird unter der Woche spätestens um 16 oder 17 Uhr der Griffel fallen gelassen, freitags meist früher. Und das liegt wohl nicht nur daran, dass die sonst so teuren Alkoholika am frühen Abend für ein paar Stunden zu „happy-hour-Preisen“ ausgeschenkt werden. „Am späten Nachmittag finden selbstverständlich keine Meetings mehr statt und wenn der Chef spontan seine Kinder abholen muss, erntet er Anerkennung dafür, sich um seine Familie zu kümmern. Work-Life-Balance ist hier nicht nur ein Modewort, sondern gelebte Realität“ (Richter 2019: o. S.).
WOZU DIE GESETZLICH VERANKERTE ARBEITSZEITERFASSUNG GUT IST BZW. SEIN SOLL
Im Mai dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof in allen Mitgliedstaaten eine Arbeitszeitenerfassung verordnet. In Deutschland sorgte dies für ziemlich hitzige Diskussionen: Überstunden sind in Zeiten der Globalisierung anscheinend selbstverständlich. Befürchtungen, dass bei pünktlichem Büroschluss bald die deutsche Wirtschaft brachliege, wurden laut. In Schweden hingegen krähte kein Hahn (und auch keine Tageszeitung oder sonstige Medien!) danach . „In Deutschland wird Anwesenheit mit Produktivität gleichgesetzt. Den Skandinaviern hingegen ist die Stundenanzahl relativ egal. Zwar gibt es in einem Großteil der Unternehmen schon jetzt Instrumente zur Zeiterfassung. Statt sicherzustellen, dass die Angestellten ihre Mindeststunden einhalten, dienen sie jedoch eher dazu, sie rechtzeitig nach Hause zu schicken. Arbeitgeber, bei denen Überstunden zum Alltag gehören, genießen kein gutes Ansehen“ (Richter 2019: o. S.).
WAS DIE SCHWEDEN UNTER „FREIHEIT UNTER VERANTWORTUNG“ VERSTEHEN
Das Konzept mit dem vielversprechend klingenden Namen hat das Ziel, den Fokus auf die Erledigung seiner Aufgaben zu lenken, anstatt Däumchen zu drehen, bis die Stechuhr endlich den Feierabend einläutet. Arbeitsverhältnisse werden künftig stärker auf Ehrlichkeit basieren, da Apps und Onlinesysteme auch „remote“ bedient werden können. „Deshalb wird das Vertrauen in die Angestellten wachsen müssen, dass sie ihre Arbeitszeit korrekt erfassen und diese Zeit effektiv nutzen können“ (Richter 2019: o. S.).
DAS ZAUBERWORT HEISST FLEXIBILITÄT
Trotz der geltenden 40-Stunden-Woche in Schweden, werden „im Land der Polarlichter“ lange Abwesenheiten ermöglicht – z. B. hat jeder Arbeitnehmer das Recht auf vier Wochen durchgehenden Sommerurlaub. Für „emergencies“ sind die Angestellten erreichbar und in Notfällen wird der Laptop abends noch aufgeklappt, wenn die Sprösslinge bereits friedlich schlummern. Und falls erforderlich, werden entsprechende Abteilungen einfach komplett geschlossen. Flexibilität und interner Zusammenhalt wird in Schweden offensichtlich großgeschrieben – das beweise auch die als Arbeitszeit geltende „Fika“ (ausgedehnte gemeinsame Kaffeepause inklusive traditionellem Zimtschneckenverzehr) (Richter 2019: o. S.).
DAS ALLES KLINGT ZU GUT UM WAHR ZU SEIN – ODER?
Klar, auch im Norden gibt es genervte Angestellte und überlastete Eltern, die in der Woche 50 oder mehr Stunden im Büro verbringen. Gesellschaftlich akzeptiert und vom Boss anerkannt sei dieser „Missstand“ allerdings nicht. „Wer Überstunden macht, bekommt sie bezahlt oder einen zeitlichen Ausgleich. Junge und engagierte Berufsanfänger arbeiten auch hier freiwillig mehr als vertraglich vorgesehen“ (Richter 2019: o. S.).
Wir hoffen, dass auch Ihre Dienstzeiten an den schweißtreibenden Sommertagen möglichst kurz ausfallen und dass Sie Ihren Tätigkeitsbereich flexibel und eigenverantwortlich gestalten können!
Arbeiten ohne Kontrollwahn, stattdessen dem Konzept „FREIHEIT UNTER VERANTWORTUNG“ folgend - mit diesem Wunsch beschließen wir den heutigen Beitrag,
Ihr
Markus Feistritzer & Christoph Edenhauser
VERZEICHNIS UND WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN:
Richter, Ricarda: Flexibilität und Feierabendbier, 2019, in: Zeit Online