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PERMANENTE GESCHÄFTIGKEIT – DAS NEUE STATUSSYMBOL?

von Christoph Edenhauser & Markus Feistritzer

PERMANENTE GESCHÄFTIGKEIT – DAS NEUE STATUSSYMBOL?
@YakobchukOlena_adobestock

Galten früher Macht und Prestige als Hauptfaktoren eines luxuriösen Lebensstils, so sorgen heutzutage Freizeitmangel und andauernder Stress scheinbar für viele Bewunderer. Wie sich ein „busy mindset“ auf Entscheidungen auswirkt, welchen Einfluss Dauerstress auf unser Wohlbefinden hat, mit solchen Informationen und teilweise unerwarteten Forschungsergebnissen überraschen wir Sie heute.

ENTSCHEIDUNGSUNFÄHIG UND KRANK DURCH STRESS?

Dass dauerhafte Hektik nicht gerade förderlich für das Allgemeinbefinden ist, ist wohl den meisten bewusst. Wie Forscher herausfanden, führen unter erheblichem Zeitdruck getroffene Entscheidungen oft zu (unvernünftigen!?) Impulshandlungen: Stellen Sie sich vor, Sie können zwischen Schokoladenkuchen und einem Obstdessert wählen. Wissenschaftler fanden heraus, dass Entscheidungen wahrscheinlich davon beeinflusst werden, wie beschäftigt man sich fühlt: Menschen unter extremen Zeitdruck neigen dazu, Entscheidungen auf Basis von Emotionen zu treffen, d.h. sie würden sich in dem genannten Beispiel für den Kuchen entscheiden (Chattopadhyay et al. 2018: o.S.).

WENIG ZEIT = VIEL EINFLUSS!?

„Sich beschäftigt zu fühlen, das heißt sich selbst als einen beschäftigten Menschen wahrzunehmen, gibt dem Einzelnen das Gefühl, als wichtige Mitglieder der Gesellschaft angesehen zu werden“ (Chattopadhyay et al. 2018: o.S.). Wie Studien ergaben, hat diese „beschäftigte Denkweise“ (busy mindset) ein höheres Selbstwertgefühl zur Folge und steigert konsequent die Fähigkeit zur Selbstkontrolle, d.h. in dem genannten Beispiel würde die wahrgenommene Geschäftigkeit den Griff zur Obstschale zur Folge haben.

Als weiteres Beispiel wird in dem Beitrag folgende Untersuchung angeführt: In einer Studie wurde Universitätsstudenten erzählt, dass sie nach jüngsten Angaben beschäftigter seien als Studenten an nahegelegenen Schulen. Die Gruppe wurde gebeten, jene Aktivitäten aufzulisten, die sie beschäftigten. Schließlich wurde den Studenten mitgeteilt, dass man ihnen die Entscheidung zwischen a) einen Tag frei nehmen oder b) mehr Umfragen durchführen, überlasse. Verglichen mit der Kontrollgruppe waren die Teilnehmer, die bereit waren sich zu beschäftigen, eher daran interessiert, zusätzliche Umfragen durchzuführen (Chattopadhyay et al. 2018: o.S.).

IST VIELBESCHÄFTIGT SEIN GESUND?

Um die Auswirkungen von enormer Geschäftigkeit auf Entscheidungen näher zu beleuchten, wurden weitere Untersuchungen durchgeführt. Auch das folgende Experiment zeigt, dass eine beschäftigte Denkweise scheinbar klügere Entscheidungen zur Folge hat: In der Cafeteria einer US-amerikanischen Universität wurden an zufälligen Tagen des Sommersemesters drei Wochen lang in der Nähe der Lebensmittelstationen Schilder angebracht, auf denen stand: „Für beschäftigte Schüler [Name der Schule]!“ An anderen Tagen sagten die Plakate: „Für den Sommer [Name der Schule] Schüler!“ An manchen Tagen wurden keinerlei Schilder angebracht. Ergebnis: An Tagen, an denen die Schilder "beschäftigt" zeigten, war die Anzahl der verkauften ungesunden Produkte signifikant niedriger als an Tagen, an denen die Plakate "Sommer" aufwiesen oder kein Schild verwendet wurde. Weitere Details zu den diversen Studien liefert dieser Link).

Die gewonnenen Forschungsergebnisse machen sich auch Unternehmen und Werbetreibende zu nutze. So vermitteln Slogans, wie z. B. „Der Fitnessclub für vielbeschäftigte Menschen“ das Gefühl von Selbstkontrolle. Andererseits können sich solche Zusätze bei generell als „nachteilig gewerteten Produkten“ (z. B. Dunkin Donuts – echte Nahrung für geschäftige Lebensstile) als kontraproduktiv erweisen (Chattopadhyay et al. 2018: o.S.).

DAS EINZIG WAHRE STATUSSYMBOL: FREIZEITMANGEL

Die Amerikaner verbringen mehr Zeit im Büro als je zuvor – zu Lasten ihrer Freizeit. Einige werten dieses Manko als Statussymbol und rühmen sich mit einem „aufstrebenden Lebenswandel“. Den Mangel überspielen viele, indem sie Luxusmarken kaufen und vortäuschen, sie verfügen über freie Zeit. „Früher verbrachten die Leute ihre Zeit auf aufdringlich unproduktive Weise, um ihren Status zu zeigen“, sagt die Harvard-Professorin Anat Keinan (Blanding 2017: o.S.).

Forscher durchkämmten auch Social-Media-Beiträge von Prominenten, die ihre Überbeanspruchung verherrlichen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass jeder Zehnte damit beschäftigt war, zu beschäftigt zu sein und kein Leben mehr zu haben. Das Resultat der simulierten Facebook-Beiträge der fiktiven Büroangestellten Sally Fisher a) „Ich habe die ganze Woche ununterbrochen gearbeitet!“ und b) „Lange Mittagspause genießen!“: die geschäftige Sally genoss einen höheren sozialen Status als die entspannte Sally (Blanding 2017: o.S.).

Traditioneller Konsum bedeute, teure Dinge wie Schmuck, Geld oder Autos zu konsumieren, neuerdings gehe es darum zu sagen, man selbst sei die knappe Ressource, heißt es in dem genannten Artikel weiter. Beispiel Rolex-Anzeige: „Die Überprüfung seiner Uhr kostet Bill Gates $ 300 pro Sekunde. Was ist deine Zeit wert?". Eine Werbekampagne für das Wall Street Journal zeigt Prominente, die die Zeitung mit dem Slogan "Menschen, die keine Zeit haben, nehmen sich Zeit, das Wall Street Journal zu lesen”, lesen (Blanding 2017: o.S.).

WARUM TUN WIR UNS DAS AN?

Das hat sich wohl jeder schon gefragt… In anderen Ländern wird gearbeitet, nach Hause geschlendert, Zwischenstopp im Cáfe gemacht und der August ist frei. „Warum mögen wir das nicht? Weil wir verrückte, hart arbeitende Gläubige sind, deshalb!“, sagt die Keinan in dem genannten Beitrag. Die Expertin zitiert ihre Studie aus dem Jahre 2008, die ergab: die Menschen fühlten sich zwar oft schuldig, weil sie sich kurzfristig für Spaß frei nahmen, langfristig gesehen bereuten sie eher, dass sie Freizeitaktivitäten versäumt haben (Blanding 2017: o.S.).

ZEIT LÄSST SICH NICHT KAUFEN

Dass dem „Sitzen und Nachdenken“ meist eine zu geringe Priorität zukommt und die Zeit ein sehr kostbares Gut ist, diese Meinung teilen die Großunternehmer Bill Gates und Warren Buffet. Was diese zwei der reichsten Männer der Welt zu übervollen Kalendern und den Umgang mit der Zeit sagen, zeigt dieses Video.

 

Dass Sie stets (völlig ohne schlechtes Gewissen!) Ihre ausgiebig vorhandene freie Zeit genießen können, das wünschen

Markus Feistritzer & Christoph Edenhauser

 

 

VERZEICHNIS UND WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN:

Chattopadhyay, Amitava / Wadhwa, Monica / Kim, Jeehye Christine: Feel Busy All the Time? There’s an Upside to That., 2018, in: Harvard Business Review Online

Blanding, Michael: Having No Life is the New Aspirational Lifestyle, 2017, in: Harvard Business School Working Knowledge Online

 

von Christoph Edenhauser & Markus Feistritzer | Kategorien: VOON-Management GmbH